Von Sabrina Unterreiner
Von den Geschäftsschließungen im Zuge der Coronakrise war auch die Gleisdorfer Unternehmerin Ulrike Stibor-Stark betroffen. Ein Gespräch über den Wettbewerb mit Amazon & Co, über regionales Bewusstsein und den Run auf den Gleisdorfer McDonalds.
Bereits in fünfter Generation betreibt Ulrike Stibor-Stark sieben Schuhhäuser von Gleisdorf bis Kindberg. Bekannt wurde sie vor allem durch ihr Engagement gegen Zalando: 2015 kritisierte sie in einem offenen Brief Christiane Hörbiger, Hannelore Elsner und Senta Berger, die für das Unternehmen warben und den Einzelhandel als altmodisch denunzierten. Nun zwingt die COVID-19-Pandemie Unternehmerinnen wie Ulrike Stibor-Stark dazu, neue Wege für den Handel zu finden und selbst gegen die Online-Riesen im Internet anzutreten.
Durch die Coronakrise sehen sich viele Familienunternehmen in ihrer Existenz bedroht. Auch deine Schuhhäuser mussten für einige Zeit schließen. Wie hast du die letzten Wochen erlebt?
Das waren die anstrengendsten Wochen in meiner ganzen Geschäftstätigkeit. Vor allem durch die Ungewissheit am Anfang. Wie lange wird das dauern? Wie lösen wir das? Schließlich habe ich auch eine große Verantwortung meinen Mitarbeitern gegenüber. Nach ungefähr zehn Tagen habe ich beschlossen, dass ich nicht nur zuschaue wie Amazon und Co. alleine verkaufen. Wir wollten was Eigenes auf die Beine stellen und haben dann innerhalb einer Woche den Großteil der Schuhe vom Geschäft in Gleisdorf nach Hause gebracht und dort fotografiert. Am Schluss haben zwei Herren meinen Online-Shop aufgesetzt. Von da an war das Bearbeiten der Bestellungen fast eine One-Woman-Show. Dabei hat man natürlich immer im Hinterkopf: Kommen wir durch, kommen wir nicht durch?
Was bedeutet die Coronakrise für deine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter?
Ich habe die Kurzarbeit in Anspruch genommen und meine Mitarbeiter alle im Betrieb behalten. Wir sind nach wie vor dasselbe Team, mit dem wir in diese Situation hineingegangen sind. Das war für mich der wichtigste Punkt. Im Geschäft gab es nach der Öffnung dann natürlich eine enorme Umstellung, wie wir arbeiten und bedienen. Maßnahmen zum Schutz der Kunden, Maßnahmen zum Eigenschutz – das alles musste vorbereitet werden. Die größte Veränderung war aber sicher der Online-Shop.
Wie reagieren deine Kundinnen und Kunden auf den neuen Online-Shop?
Die erste große Resonanz kam wirklich von Menschen, die wir kennen und sich ganz bewusst für einen regionalen Einkauf entscheiden. Da spielt natürlich auch die Vorarbeit meiner Mitarbeiterinnen eine große Rolle, die immer mit Herz und Seele da waren. Die Leute erinnern sich gerne an die netten Begegnungen im Geschäft und kaufen bei uns online ein, damit das auch in Zukunft so bleibt. Im Laufe der Zeit sind aber auch Leute über den Online-Shop gestolpert, die ich davor noch nie bedient habe.
Seit 14. April haben deine Geschäfte wieder geöffnet. Wie sehr mindern Mund-Nasen-Schutz und Co. die Freude am Einkaufen?
Es ist eindeutig erkennbar, dass die Verweildauer in unseren Geschäften viel kürzer ist. Es wird jetzt eher nur schnell der Bedarf gedeckt. Was zum Großteil ausbleibt, sind die Menschen, die Mode suchen. Kaum eine braucht ein schönes Kleid, wenn sie es dann nicht zeigen kann. Anlässe wie Hochzeiten, Taufen, Erstkommunionen und Firmungen fallen schließlich weg. Auch die Beratung ist derzeit ganz anders. Ich kann nur über die Augen erahnen, ob es den Kunden gefällt und sie sich wohlfühlen.
Warum kaufen Menschen bei Händlern vor Ort, wo sie doch im Internet eine größere Auswahl hätten und rund um die Uhr bestellen können?
Wir haben in den letzten Wochen gesehen, wie weh es tut, keinen Kontakt zu haben. Und genau das ist auch eine große Aufgabe der stationären Geschäfte. Viele Menschen kommen nur herein, um fünf Sätze zu sprechen. Alleine dieses Kontakthaben, das Wahrgenommenwerden, das Zuhören – im Internet findet das überhaupt nicht statt. Auch die Sicherheit ist ein wichtiger Punkt. Die Händler vor Ort verfügen über Fachwissen und können kompetent beraten. Zusätzlich spielen auch die weichen Faktoren, die Emotionen, mit hinein. Ich glaube, dass wir vieles zusammenbringen, was der Internethandel nicht kann.
„Kauft lokal, das geht auch digital!“, appellierte Wirtschaftsministerin Schramböck kürzlich an die Bevölkerung. Werden in Zukunft also auch kleinere Händler nicht umhinkommen, einen Online-Shop einzurichten, um mithalten zu können?
Ich habe mich immer mit Händen und Füßen dagegen gewehrt, weil wir dann wirklich mit den Online-Riesen am Marktplatz sind. Wir suchen wahnsinnig speziell aus, überlegen uns viel und Amazon verkauft einfach alles. Da kommen wir natürlich nicht mit. Auch persönliche Dinge können wir über das Netz nicht ausspielen. Darum ist es als Kleinunternehmen wirklich schwer, alleine zu bestehen. Ich glaube, dass man mittlerweile eine Internetpräsenz braucht, aber ein eigener Online-Shop ist in den meisten Fällen kaum finanzierbar. Womöglich müssen wir kleinen Händler irgendwann eine Plattform finden, wo wir uns gemeinsam aufstellen.
Denkst du, dass in dieser Ausnahmesituation mehr Bewusstsein dafür entsteht, regional einzukaufen und vor Ort Arbeitsplätze zu sichern?
Das Bewusstsein wurde schon geschärft. Aber ich weiß nicht, inwiefern beim Einkaufen ständig der Gedanke präsent ist, wem ich jetzt damit etwas Gutes tue. In erster Linie möchte man sich selber eine Freude machen und nicht dauernd überlegen. In den letzten Wochen habe ich mir schon gedacht, dass die Leute umdenken und das Regionale wichtiger wird. Aber dann gab es zur Wiedereröffnung einen Run auf den McDonalds, der halb Gleisdorf lahmgelegt hat. Das widerspricht allem, was ich mir zum Umdenken der Gesellschaft überlegt habe. Es wird viel darüber gesprochen, wie wichtig regionale Einkäufe sind. Doch dieser Gedanke setzt sich derzeit noch nicht in allen Bereichen durch.
Was wirst du – sowohl privat als auch geschäftlich – aus der Krise mitnehmen?
Privat nehme ich mit, dass ich mit vielen Dingen viel wertschätzender umgehe. Ich fange bei den Lebensmitteln an und höre bei der gemeinsamen Zeit mit meinem Mann auf. Dieses bewusste Erleben von Dingen, das war schön und das möchte ich für mich beibehalten. Im Beruf weiß ich, dass wir die Sicherheit der letzten Jahre verloren haben. Was gegolten hat, gilt nicht mehr. Wir sind in der totalen Schwebe und müssen trotzdem aus diesem Zustand heraus Entscheidungen treffen. Es gilt, jeden Tag neu hinzuschauen, neu zu bewerten, neu zu überlegen. Wir dürfen nicht in alten Mustern verharren und müssen beweglicher werden.
20. April 2020