Von Cäcilia Hödlmoser
Klimaökonom Karl Steininger über Lehren aus der Corona-Zeit, ein umweltfreundliches Hochfahren der Wirtschaft nach der Pandemie und den einzigen Ausweg aus der Klimakrise.
Anders als bei der Corona-Pandemie steht die Lebensbedrohung durch die Klimakrise nicht unmittelbar vor der Tür. Trotzdem ist sie nicht weniger gefährlich. ExpertInnen sind der Meinung, dass die Bevölkerung etwas von der aktuellen Ausnahmesituation lernen kann und gerade jetzt auch die Klima-Problematik nicht aus den Augen verlieren sollte. Einer von ihnen ist Karl Steininger, Professor am Wegener Center für Klima und Globalen Wandel der Universität Graz, der mehr als hundert Publikationen zu den Themen globaler Wandel und Volkswirtschaft aufweisen kann und für seine Arbeit zu den ökonomischen Auswirkungen des Klimawandels 2016 mit dem Forschungspreis des Landes Steiermark ausgezeichnet wurde.
Ist die Corona-Krise ein Segen für die Umwelt?
Karl Steininger: In diese Richtung können wir möglicherweise etwas daraus machen. Aber das ist erst zu tun. Aktuell sind die Emissionen zurückgegangen, weil wir die Wirtschaft heruntergefahren haben. Derzeit sind das alles Momentaufnahmen. Es kommt darauf an, wie wir sie nach der Krise wieder hochfahren.
Kann es nach der Corona-Krise zu einem umweltfreundlicheren Denken in der Arbeitswelt kommen?
Dass wir in Zukunft mehr Dienstreisen durch Videokonferenzen ersetzen, kann ich mir durchaus vorstellen. Beim Home-Office ist die Frage, wie viele Wege wir uns dadurch wirklich sparen würden.
Können Sie sich vorstellen, auch nach der Corona-Zeit vermehrt auf Online-Lehre zu setzen?
Bei kleineren Gruppen kann ich es mir schon vorstellen, wenn meine Studierenden das auch wollen. Die Frage ist, ob man damit wirklich wesentliche Emissionen einsparen würde.
Glauben Sie, Österreich wird nach der Krise wieder mehr in Richtung autarke Volkswirtschaft zurückkehren?
Ja, das denke ich schon. Vermutlich werden wir nicht mehr in diesem Ausmaß von international vernetzten Lieferketten abhängig sein wollen.
Hätte das spürbare Auswirkungen auf die Umwelt?
Viele Güter kommen per Schiff und haben daher keine extrem hohen Emissionen. Wenn wir aufhören, ständig Schnittblumen aus Afrika mit dem Flugzeug zu importieren, würde das natürlich schon viel bringen.
Wäre jetzt der richtige Zeitpunkt, Ökosteuern einzuführen?
Nicht nur wegen Corona, sondern auch aufgrund des gefallenen Ölpreises, könnte man jetzt ganz einfach Steuern auf fossile Energieträger einheben. Das würde den Energiepreis stabilisieren.
Und jetzt, wo es der Wirtschaft ohnehin schon schlecht geht, wären zusätzliche Steuern wirklich sinnvoll?
Der Staat muss irgendwie mit dem Budgetdefizit umgehen. Wenn er irgendwo Steuern erhöht, dann bitte nicht auf Arbeit, sondern auf die Umwelt. Und die Einnahmen müssen zumindest mittelfristig auch wieder an die Haushalte zurückgeführt werden.
Glauben Sie, die Ankurbelung der Weltwirtschaft nach der Pandemie wird alle positiven Effekte, die das Virus derzeit auf die Umwelt hat, wieder wettmachen?
Ja, möglich ist es. Das ist in etwa das, was nach der Finanzkrise 2009 passiert ist. Um das zu verhindern, braucht es eine klare Orientierung.
Aber es ist auch möglich, dass Strukturen zugunsten der Umwelt neu überdacht werden und die Wirtschaft nach der Corona-Krise zukunftsorientierter wieder hervorkommt?
Diese Chance haben wir. Wichtig ist, auf diesen Weg einzuschwenken und die Emissionen in den nächsten Jahren dauerhaft abzusenken.
Zehn EU-Staaten, darunter auch Österreich, fordern einen grünen Wiederaufbau nach der Krise und schlagen vor, auf den Green Deal der EU-Kommission zu setzen. Wäre das zielführend?
Das wäre eine sehr gute Strategie. Insofern hoffe ich, dass man auf diesem Pfad bleibt.
Viele sind der Meinung, dass der Zusammenhalt innerhalb der EU in der Corona-Krise nicht ausreichend funktioniert. Warum soll es dann in der Klimakrise gehen?
Aus dem Wissen heraus, dass man dieses Problem nicht alleine lösen kann. So, wie wir jetzt gemeinsam die ältere Generation schützen, geht es bei der Klimakrise darum, die jüngere zu schützen. Diese Solidarität müssen wir beibehalten.
Wie schlagen Sie konkret vor, die Wirtschaft nach der Corona-Krise umweltfreundlich wieder hochzufahren?
Wir sollten noch mehr auf öffentlichen Verkehr umsteigen. Auch bei Baustoffen sollten wir versuchen, mit viel weniger Treibhausgasen auszukommen. In der Industrie sollten wir auf Kreislaufwirtschaft setzen. Wenn man staatliche Hilfe in Anspruch nimmt, könnte man diese an die Auflage, auch zukunftsorientierte Konzepte umzusetzen, binden.
Krisenhilfe teilweise an Vorgaben zu knüpfen, schlagen Sie auch schon im Paper COVID-19, Klimawandel und Konjunkturpakete des Wegener Centers vor.
Jetzt aus staatlichen Mitteln stark emittierende Sektoren zu finanzieren, die wir eigentlich gar nicht haben wollen, halte ich langfristig einfach für wesentlich teurer.
Das würde die Auto- und Luftfahrtbranche, die ohnehin schon unter der Corona-Krise leidet, noch härter treffen. Wäre das nicht unfair?
Die Pariser Klimaziele müssen sie ohnehin erreichen. Wenn wir schon staatliche Unterstützung bieten, dann auf einem Pfad, der das auch einhält.
Haben Sie neue Erkenntnisse in Hinblick auf den Umweltschutz gewonnen?
Ich denke, wir haben als Gesellschaft insgesamt dazugelernt. Die Corona-Krise hat uns gezeigt, wie wichtig es ist, sofort zu handeln. Und durch unsere vielen Verhaltensänderungen haben wir auch gesehen, was eigentlich alles möglich ist.
Was würden Sie den Leuten sagen, damit sie die Klimakrise gleich ernst nehmen, wie die derzeitige Corona-Krise?
Gegen den Klimawandel gibt es keine Impfung! Und es wird auch kein Medikament, keine Herdenimmunität geben. Unser einziger Ausweg ist Vorbeugung. Wir haben jetzt die Aufgabe, unsere Wirtschaft so zu gestalten, dass sie uns nicht irgendwann den Boden unter den Füßen wegreißt. Es ist noch nicht zu spät, den richtigen Weg einzuschlagen.
18. April 2020