Bewegen

„Empathie ist etwas Superwichtiges für die Menschheit“

von Cäcilia Hödlmoser

Die Black Lives Matter-Proteste haben es geschafft, weltweit viel Aufmerksamkeit zu erregen und das trotz allgegenwärtiger Corona-Thematik. Doch was hat diese Bewegung so erfolgreich gemacht? Während Protestforscher Michael Deflorian in der letzten Ausgabe des Markt der Zukunft-Magazins [MDZ 2020, S. 42] generelle Erfolgsfaktoren von Bewegungen aufgeschlüsselt hat, spricht Fred Owusu, Mitorganisator der BLM-Proteste in Graz, im Interview nun über seine Erfahrungen aus der Praxis. 

Warum konnte die BLM-Bewegung deiner Meinung nach global so viel bewegen und nicht nur in den USA, wo sie ihren Ursprung hatte? 

Fred Owusu: Dieses Thema muss weltweit präsent sein. Ich glaube, es konnten einfach sehr viele Leute mit dem, was passiert ist, etwas anfangen. Das freut mich natürlich. Aber trotzdem finde ich es ein bisschen schade, dass wir es erst nach so einer Tragödie, wie mit George Floyd, geschafft haben, als Black Community gemeinsam etwas dagegen zu tun.

Bei eurer ersten Grazer BLM-Demo im Juni 2020 hattet ihr 700 Facebook-Zusagen, gerechnet habt ihr mit maximal 2.500 Teilnehmer*innen, am Ende sind dann 10.000 gekommen – kannst du dir euren extremen Erfolg erklären?

Die Idee war, dass sich unser Event vor allem durch Word of Mouth verbreitet, also dass Leute anderen Leuten davon erzählen. Wir begeistern einen und der begeistert dann wieder einen anderen. Wie man gesehen hat, waren wir am Ende ziemlich viele. Aber in unserer Zeit bietet sich natürlich auch Social Media als Tool an. Wir haben ein Facebook-Event erstellt, damit auch wirklich jeder weiß, dass es ein fixes Ding ist.

Fred Owusu bei der Black Lives Matter-Demonstration im Juni am Freiheitsplatz

Klar ist ein Thema, das viele Menschen bewegt, ausschlaggebend, aber das allein ist noch nicht unbedingt genug. Welche organisatorischen Faktoren haben zu eurem Erfolg beigetragen?

Es war alles ziemlich spontan und ging richtig schnell, aber trotzdem war es eine Sache des richtigen Timings. Wir haben gesagt, wir veranstalten die Demo und schauen mal, ob überhaupt Leute kommen. Als wir dann gemerkt haben, dass doch einige kommen, war uns klar, dass wir jetzt genau wissen müssen, was wir machen. Wichtig war uns, dass das Ganze auf Augenhöhe stattfindet. Wir junge Menschen haben das veranstaltet, wir People of Colour. Damit wollten wir alle ansprechen. Jeder sollte sich willkommen fühlen. Bei manchen Demos hat man das Gefühl, man ist zwar da, aber es passiert eh keine Veränderung. Uns war einfach wichtig, zu zeigen, dass wir alle gemeinsam da sind und dass es auch wirklich etwas bringt.

Protestforscher Michael Deflorian hat vier Faktoren genannt, die für den Erfolg von Bewegungen ausschlaggebend sind: Timing, Kommunikation & Framing, Emotion und Ressourcen. Wo spiegeln sich diese Faktoren in BLM wider?

Was das Timing betrifft, war es wichtig, dass wir das Event genau jetzt veranstalten und nicht später. Ich glaube, es wären gar nicht so viele gekommen, wenn es nicht so aktuell gewesen wäre. Emotion ganz klar – es hat uns alle voll getroffen. Es hat einfach gezeigt, dass wir doch irgendwie alle in Gefahr sind und dass jetzt eine Veränderung passieren muss. Was die Ressourcen angeht, war alles sehr spontan. Aber natürlich haben wir geschaut, wer was am besten machen kann. Bei der Kommunikation war uns wichtig, dass jeder irgendwie in die Sache involviert ist und seine Rolle spielt. Da war meine Kollegin Precious Nnebedum sehr wichtig, weil sie es geschafft hat, mit Poetry, mit dem, was sie gesagt hat, viele Menschen zu erreichen. Das wäre mit anderen Mitteln gar nicht möglich gewesen.

Du als Songwriter und deine Kollegin Precious als Poetry Slammerin wisst wahrscheinlich so gut wie wenig andere, welche Kraft die richtigen Worte haben können.

Oh ja, Rhetorik ist ein wesentlicher Teil, wenn es um den Erfolg von Bewegungen geht. Es ist superwichtig, was man sagt und wie man es sagt. Precious hat das, wie gesagt, super gemacht. Mit ihren Worten konnten wir viel mehr Menschen erreichen, als es irgendwelche Flyer geschafft hätten.

Wie findet man die richtigen Worte, um die Tausenden Leute vor Ort und auch vor den Bildschirmen zu Hause zu bewegen?

Wenn man sich zum Beispiel Poetry Slam anschaut, dann ist ein ganz wesentlicher Teil das Bildliche. Unter bildlicher Sprache kann sich jeder sofort etwas ausmalen und hat gleich einen Bezug dazu. Es geht nicht darum, theatralisch irgendetwas zu performen. Es geht darum, authentisch zu sagen, was gesagt werden muss.

"Es geht darum, authentisch zu sagen, was gesagt werden muss."

Wie schätzt du den Beitrag ein, den Medien für den Erfolg von Bewegungen leisten?

Es ist natürlich wichtig, wie eine Bewegung dargestellt wird. Wenn unsere Proteste dargestellt werden, als würden wir jetzt randalieren, anstatt zu demonstrieren, und das in Zeiten von Corona, ist das natürlich schlecht. Dann haben die Medien dazu geführt, dass ein schlechtes Bild entsteht. Bei unserer ersten, unangemeldeten Demo ist das teilweise der Fall gewesen.

Warum, denkst du, hat eure Bewegung es im Gegensatz zu beispielsweise Fridays For Future, um die es letztes Jahr eher ruhig geworden ist, trotz allgegenwärtiger Corona-Thematik geschafft, öffentlich so viel Aufmerksamkeit zu erregen?

Das Thema ist super aktuell gewesen. Kurze Zeit nach dem Vorfall mit George Floyd haben die ersten Proteste in den großen Städten begonnen. Corona hat zwar eigentlich alles überschattet, aber diese Geschichte hat der Gesellschaft einen emotionalen Boost gegeben. Aus dieser Frustration heraus, dass Rassismus immer ein Thema war, das nicht einfach wieder verschwindet, haben die Leute versucht, zu handeln.

Denkst du, die BLM-Bewegung hatte es schwerer, weil Corona die öffentliche Bühne gerade 2020 total in Anspruch genommen hat?

Ich finde, die Corona-Zeit hat seine Vor- und Nachteile gehabt. Es war natürlich superschwer, öffentliche Demonstrationen zu organisieren, mit Mindestabstand, Mund-Nasen-Schutz und allem, was es damals sonst noch zu beachten gab. Einige Medien haben wie gesagt auch Kritik geäußert, dass die Demonstrationen nicht sein hätten sollen, wegen Corona. Aber sie mussten sein. Ein Vorteil war dafür, dass alle Zeit hatten. Es waren sowieso alle auf Social Media unterwegs und deshalb war es leichter, die Menschen zu erreichen. Sie konnten einfach nicht wegschauen, weil Black Lives Matter überall auf Social Media Thema war.

Hast du Tipps, die du bei eurer erfolgreichen Protest-Organisation sammeln konntest und an andere Bewegungen weitergeben kannst?

Nummer Eins: Learning by doing. Wir haben gar nichts vorher gewusst, wir haben einfach gemacht. Wichtig ist auf jeden Fall, konstant bis zum Schluss ein gemeinsames Ziel zu verfolgen. Ein Tipp für alle Demo-Organisatoren: It’s not for you, it’s for the people! Es soll jeder etwas damit anfangen können und jeder davon profitieren. Genau so erreicht man auch die meisten Menschen.

Hast du eine Botschaft für die Menschen da draußen, die bislang noch nicht Teil von Bewegungen waren?

Empathie ist etwas Superwichtiges für die Menschheit. Es ist wichtig, sich Gedanken über seinen Nächsten zu machen. Wie geht es den anderen? Und vor allem, wie geht es den anderen, wenn ich etwas mache? Wenn sich jeder diese Fragen stellt, führt das ganz automatisch dazu, dass man auf einmal gemeinsame Ziele entwickelt. Wenn alle Menschen empathisch handeln, wird es eine bessere Welt geben.

Zur Person

Fred Owusu studiert derzeit Lehramt Primarstufe. Bei der diesjährigen Starmania-Staffel schaffte er es auf den zweiten Platz und möchte sich nun erstmal auf seine Musikkarriere konzentrieren. Dem gebürtigen Grazer mit ghanaischen Wurzeln, der selbst schon öfter mit Rassismus in Berührung gekommen ist, war sofort klar, dass er Teil der Black Lives Matter-Bewegung sein möchte.

Fred Owusu
Infobox:

Die Black Lives Matter-Bewegung entstand bereits im Jahr 2013 in den USA. BLM-Demonstrationen richten sich vor allem gegen Polizeigewalt und Rassismus. Der Tod von George Floyd während eines gewaltsamen Polizeieinsatzes im Mai 2020 in Minneapolis löste erneut eine große Welle an internationaler Solidarität aus. Die Tötung des Afroamerikaners durch einen Polizeibeamten führte weltweit zu Protesten, unter anderem auch in Österreich.

Fotos: Fred Owusu, Unsplash

Fred Owusu
 
Zur Person

Fred Owusu studiert derzeit Lehramt Primarstufe. Bei der diesjährigen Starmania-Staffel schaffte er es auf den zweiten Platz und möchte sich nun erstmal auf seine Musikkarriere konzentrieren. Dem gebürtigen Grazer mit ghanaischen Wurzeln, der selbst schon öfter mit Rassismus in Berührung gekommen ist, war sofort klar, dass er Teil der Black Lives Matter-Bewegung sein möchte.

Infobox:

Die Black Lives Matter-Bewegung entstand bereits im Jahr 2013 in den USA. BLM-Demonstrationen richten sich vor allem gegen Polizeigewalt und Rassismus. Der Tod von George Floyd während eines gewaltsamen Polizeieinsatzes im Mai 2020 in Minneapolis löste erneut eine große Welle an internationaler Solidarität aus. Die Tötung des Afroamerikaners durch einen Polizeibeamten führte weltweit zu Protesten, unter anderem auch in Österreich.

Fotos: Fred Owusu, Unsplash