In Rumänien leben die meisten Braunbären Europas, mit Ausnahme von Russland. Immer wieder kommt es zu Konflikten zwischen Mensch und Tier. Die Regierung hat deshalb knapp ein Jahr nach dem Verbot der Trophäenjagd bis zu 140 Bären zum Abschuss freigegeben. Das löst einer NGO zufolge aber nicht das Problem.
„Ich spürte, wie der Boden bebte“, berichtet Gabriel Paun, Geschäftsführer der rumänischen Umweltschutzorganisation Agent Green von seiner Begegnung mit einem ausgewachsenen Bären. „Aber als ich dem Bären dann im Wald gegenüberstand, rannte er davon.“ Noch haben die Tiere offenbar Angst vor Menschen und Paun fände es gut, wenn das so bliebe. Denn: „Sobald sich ein Bär an Menschen gewöhnt hat, ist es zu spät.“ Dann wird das Tier getötet, weil es sonst für den Menschen zu gefährlich wäre. Gabriel Paun und seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter versuchen deshalb alles dafür zu tun, damit die Bären in den Wäldern bleiben.
Immer öfter wagen sich die Tiere aus ihrem Territorium hervor. Sie plündern Mülltonnen von Dörfern am Waldrand, reißen Vieh und kommen der Bevölkerung am Land gefährlich nahe. Knapp ein Jahr, nachdem die rumänische Regierung die Trophäenjagd auf Bären verboten hat, verkündete Umweltministerin Grațiela Gavrilescu, dass 2017 bis zu 140 „Problembären“ umgesiedelt oder getötet werden dürfen. Die Pressestelle des Ministeriums begründet diese Entscheidung mit den zunehmenden Konflikten zwischen Mensch und Tier. Bürgerinnen und Bürger hätten das Ministerium aufgefordert zu handeln.

Der Bär ist Opfer des Klimawandels
„Der Mensch-Tier-Konflikt an sich ist nicht neu“, sagt Paun, doch die Umstände verschärfen sich. Unter anderem setzt das veränderte Klima den Tieren zu. Sie erwachen vorzeitig aus ihrem Winterschlaf – zu Zeiten, in denen sie in den Wäldern nichts zu fressen finden. So sind sie gezwungen, in naheliegende Dörfer aufzubrechen. Hinzu kommt, dass ihr Lebensraum zunehmend zerstört wird: In manchen Naturschutzgebieten werde etwa illegal Holz gefällt, dadurch verkleinern sich die Wälder.
Das Umweltministerium sieht diese Probleme. Verstärkt werden sie durch den nachlässigen Umgang mit Müll in Dörfern und durch Menschen, die immer öfter in den Lebensraum der Bären drängen, um Beeren und Pilze zu sammeln. Das Raubtier selbst hat keine Schuld, das wissen die Behörden. Trotzdem wird es zum Opfer der Verordnung.
Ein Plan muss her
„Ohne einen Management-Plan, wie in der EU üblich, hat Rumänien keine Chance, Menschen und Bären zu schützen“, ist sich Paun sicher. Er ist überzeugt, dass ein Plan, der die Interessen der Bären und der Menschen berücksichtigt, unerlässlich ist, um das Fortbestehen der Bären und eine angemessene Population zu sichern. Es fehlt zunächst an Basis-Daten: „Derzeit wissen wir nicht, wie viele Bären es gibt.“ Die Berechnungen werden offenbar von jenen durchgeführt, die an der Bärenjagd interessiert seien. Deshalb würde die Anzahl an Bären höher geschätzt werden, als sie tatsächlich ist, vermutet Paun.

Das Umweltministerium bestreitet das: Die offiziellen Zahlen kämen von Einrichtungen des rumänischen Staates, so antwortet das Ministerium auf eine Anfrage per Mail. Dem Ministerium nach sind es derzeit zwischen 6050 und 6640 Bären. Paun dagegen verweist auf eine Studie des Forschers Viorel D. Popescu, der sich am Institut für biologische Wissenschaften an der Ohio University mit dem Thema beschäftigt. Seine Forschungsgruppe geht davon aus, dass es in Rumänien womöglich weniger Bären geben könnte, als offiziell angenommen.
Ein nationaler Plan, wie Agent Green ihn seit langem fordert, ist nach Angaben des Ministeriums gerade im Entstehen. Was er beinhaltet und wie lange es bis zur Umsetzung dauern wird, ist noch nicht bekannt.
Text: Anja Liedl | Beitragsbild: Agent Green /Peter Levente | Foto von Interviewpartner Gabriel Paun: Katharina Brunner