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„Man kann nicht mit gleichen Mitteln zurückschlagen“

Carola Schneider ist ORF-Korrespondentin in Moskau und hat täglich mit der russischen Propaganda-Maschinerie zu tun. Im Interview erklärt sie, warum Russland den Krieg im Osten der Ukraine nicht beenden will und was die Krim-Annexion für Putin bedeutete.
Interview: Sarah Seifzenecker und Christoph Wünscher

BLANK X: Was verspricht sich Russland vom Konflikt im Osten?

Carola Schneider: Offiziell sagt Russland: „Wir sind dort überhaupt nicht dabei.“ Aber in Wahrheit hat Putin wahrscheinlich gestört, dass die Ukraine sich dem Westen annähern will. Russland ist deshalb auch gar nicht an einer Lösung interessiert, denn der Konflikt hindert natürlich ganz massiv die Integration in Europa. Das Land ist mit dem Krieg blockiert. Es kann sich weniger gut um die eigenen Reformen kümmern und kann dadurch nicht die Dinge erfüllen, die notwendig wären, damit sich die Ukraine Europa annähern kann. Das ist Putin recht, weil er die Ukraine immer noch als Einflusssphäre Russlands sieht. Ich glaube, er will auch nicht, dass die Russen in zehn bis 15 Jahren sehen, dass es den Ukrainern gut geht. Er will nicht, dass es ihnen gut geht, weil sie sich Europa annähern, weil sie möglicherweise demokratischer werden oder weil sie visumfrei in Europa einreisen dürfen, und so weiter. Nicht, dass die Russen dann plötzlich auch auf die Idee kommen einen Maidan zu installieren.

Ist die Krim-Annexion, die offiziell ja keine war, als eine Machtdemonstration von Russland unmittelbar nach dem Maidan zu sehen?

Es hat ziemlich viele Gründe gegeben. Zum einen hat Russland eine große Militärpräsenz dort. Die Schwarzmeer Flotte ist ein militärstrategisch wichtiger Punkt und es gibt noch andere russische Militärstützpunkte auf der Krim. Möglicherweise hat das mitgespielt, weil man nicht mehr mit Kiew weiterverhandeln wollte, ob man weiterhin auf der Krim bleiben dürfe. Innenpolitisch war die Übernahme super, weil man den Russen das Gefühl gab, Putin habe die Krim heimgeholt und dem Westen die lange Nase gezeigt. Natürlich wollte man auch der Ukraine zeigen, wer da der Herr im Haus ist. Die Annexion hatte aber auch weltpolitische Bedeutung, um klar zu machen: „Wir lassen uns nicht in unsere Einflusssphäre hineindiktieren und machen was wir wollen. Wenn es sein muss auch mit militärischer Gewalt.“

Carola Schneider im Gespräch
Carola Schneider ist seit 2011 Leiterin des ORF-Korrespondentenbüros in Moskau in Russland. (c) Daniela Schmid

„Russland Glaubwürdige Informationen entgegensetzen“

Die russische Propaganda ist derzeit ein großes Thema. Als Ziel gilt die Destabilisierung der Länder von innen. Wie kann die EU auf die russische Propagandamaschinerie reagieren?

Es ist ganz schwierig. Diese Propaganda vom Kreml besteht nicht nur aus gefakten News – sie besteht manchmal auch aus echten News. Aber es gibt ganze Troll-Fabriken in Russland, die offiziell natürlich nicht zugegeben werden. Diese Fake-News haben nicht nur mit der Ukraine zu tun, da geht es auch darum, Putin gut und die Europäer und die Nato als Lügner hinzustellen. Es ist ja in Russland Lesart, dass Europa von Migranten überschwemmt werden würde, weil Europa ein Club der Schwächlinge sei, die moralisch verlottert sind und ihre Werte nicht mehr verteidigen können. Man kann dem nur glaubwürdige Informationen entgegensetzen. Es würde auch nicht helfen zu trollen und nur noch einseitige, pro-europäische Information zu verbreiten. Für jedes Thema müsste man immer die gleiche Linie verfolgen indem man verständliche, hieb- und stichfeste Informationen hat. Ich glaube, nur so geht es. Man kann nicht mit den gleichen Mitteln zurückschlagen. Man kann diese Geschichten auch nicht verbieten –  dann wären wir in der Zensur.

Wie sieht Ihre Arbeit in Moskau aus? Woher bekommen sie Ihre Informationen inmitten der russischen Propaganda-Maschinerie?

Die Staatsmedien sind wirklich gelenkt. Das Internet wird auch immer mehr kontrolliert, aber es ist nicht wie in China, im Iran oder in Nordkorea, wo es keine freie Information mehr gibt. Das Internet ist noch relativ frei. Man findet also noch unabhängige Informationsquellen. Man kann auch selbst noch mit den Leuten oder den Experten reden. Die wandern zwar alle einer nach dem anderen aus, aber es gibt sie noch.

Hatten Sie schon einmal Problem mit der Verlängerung des Visums? Wird das beobachtet?

Ich glaube schon, dass das beobachtet wird. Dem Kreml ist es relativ egal, weil wir ja nicht den russischen Zusehern und Zuhörern erklären, was wir hier kritisieren, sondern den Europäern. Wir werden mehr oder weniger in Ruhe gelassen – die russischen Journalisten nicht. Die russischen, unabhängigen Journalisten werden manchmal zusammengeschlagen und auch umgebracht. Die Medien werden dauernd unter Druck gesetzt.