„NSDAP stärkste Partei“, „Hitler Reichskanzler“, „Reichstag aufgelöst“ titeln internationale Tageszeitungen. Während viele Medien in den 1930er Jahren hauptsächlich von Adolf Hitlers Aufstieg in Deutschland berichteten, schrieben sie nicht, dass in der sowjetischen Ukraine Millionen von Menschen verhungerten. Über die Hungerkatastrophe Holodomor wurde erst später in den westlichen Medien berichtet. Anfang 2017 soll der Film Bitter Harvest in die Kinos kommen, der die Hungersnot thematisiert.
Text: Veronika Sattlecker, Foto: Central State Audiovisual Archives of Ukraine
Gedenken an Hungersnot
Ende November kommt in den USA ein Truthahn auf den Tisch und Familien verschiedenster Herkunft und Religion feiern Thanksgiving. In der Ukraine versammeln sich Ende November jährlich Bürgerinnen und Bürger, um den Opfern von Holodomor zu gedenken. Die, durch erhöhte Ernteabgaben menschengemachte Hungersnot forderte von 1932 bis 1933 mehrere Millionen Menschenleben.
Historisches Liebesdrama: Bitter Harvest
Der Film aus kanadischer Produktion erzählt von der Hungersnot aus der Sicht des jungen Liebespärchens Natalka und Yuri. Für sie sind die Jahre von Holodomor nicht nur ein Kampf gegen den Hunger. Mit der anti-bolschewistischen Widerstandsbewegung kämpfen sie auch für eine freie Ukraine. Die Hauptrollen sind mit Samantha Barks, die schon im historischen Musicalfilm Les Miserables spielte, und Mark Irons, der actionreiche Handlung aus The Host und Red Riding Hood gewohnt ist, besetzt. Regisseur ist der Deutsche George Mendeluk, der mit Kanadier Richard Bachynsky-Hoover das Drehbuch schrieb. Anfang 2017 soll der Film in die US-Kinos kommen.
Geschichte einer Tragödie
Der Begriff Holodomor bedeutet wörtlich übersetzt Hungertod oder auch Tötung durch Hunger. Die beiden Übersetzungen zeigen bereits: die Bewertung der historischen Ereignisse um 1932 ist umstritten. Während manche von einer gezielten Tötung durch Hunger sprechen, sagen andere, dass die Hungersnot durch Dürren und die Zwangskollektivierung entstand.
Die sogenannten Zwangskollektivierungen in der Landwirtschaft gab es unter Stalin auch in anderen Teilen der Sowjetunion. Bis heute wird aber debattiert, ob sie in der Ukraine eingesetzt wurden, um den Widerstand der Bevölkerung zu brechen. Bäuerinnen und Bauern mussten Abgaben von ihrer Ernte leisten, die in den Jahren nach 1930 aufgrund von Dürren sehr gering ausfiel. Das Getreide wurde von der Regierung ins Ausland verkauft. Ein Mangel an Nahrung war die Folge. Stalin gab Befehl, die Grenzen zu schließen – die Ukrainerinnen und Ukrainer waren in ihrem eigenen Land gefangen. Dörfer wurden von Soldaten geplündert, viele Bauern verloren ihren ganzen Besitz. Bis 1933 starben über zwei Millionen Menschen an Hunger.
Die größte Hungersnot der Ukraine
Name: Holodomor |
Timeline der Katastrophe
- Ab 1917 kommt es in sowjetisch besetzen Ländern durch die Kollektivierung der Landwirtschaft zu mehreren Hungersnöten.
- 1931 Trotz einer Dürre wird die Abgabenquote für die ukrainischen Ernten erhöht.
- 1932 Es kommt zum Widerstand der Bauern. Daraufhin werden die Grenzen geschlossen und Dörfer geplündert.
- 1933 Besonders in der Landbevölkerung sterben viele an Hunger, weiterhin wird aus der Ukraine Getreide exportiert.
Tod oder Tötung?
2003 veröffentlichten die Vereinten Nationen eine Erklärung, dass die nationale Tragödie Holodomor von der sowjetischen Regierung verursacht wurde. Bis heute ist umstritten, ob die Hungersnot der eigentliche Zweck oder die Folge der Politik Stalins war. Holodomor wurde von der Ukraine und anderen Ländern als Völkermord am ukrainischen Volk anerkannt. Die Hungersnot wurde aber weder von Russland, noch vom Europarat als Genozid definiert.
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